Die Flamme von Veyrmor

Es war im Rat von Arminor, als ich zum ersten Mal die Flamme von Veyrmor sah. Der Saal war erfüllt von Stimmen, Bannern und dem ewigen Streit zwischen den Reichen. Doch als die Diener das Relikt in die Halle trugen, verstummten alle.

Die Flamme ruhte nicht in einer Schale, wie mancher glauben mag. Nein, sie schwebte frei über einem Kristallsockel – klein wie eine Faust, doch heller als jedes Feuer, das je ein Schmied entfachte. Ihr Licht war nicht warm, sondern unruhig, golden mit rötlichen Rissen, die flackerten wie Wunden.

Ich beobachtete die Gesichter der Gesandten. Ein Mann aus Avennath trat näher, und seine Augen begannen zu glänzen. Er streckte die Hand aus, als wolle er die Flamme ergreifen. In diesem Moment spiegelte sich darin nicht nur sein Antlitz, sondern Gold – Münzen, Schätze, Macht. Er erstarrte, zog die Hand zurück, und ich sah, wie sein Atem bebte.

Dann trat eine Frau aus Velmorien vor. Sie legte ihre Hand auf den Sockel, ohne die Flamme zu berühren. Ihr Blick blieb klar, ihre Haltung aufrecht. Da erlosch das Rot für einen Augenblick, und nur das Gold blieb zurück – rein und hell, wie Sonnenlicht.

Die Hüter des Rates sagten, so sei die Prüfung: Wer der Gier verfällt, dem zeigt die Flamme sein Verderben. Wer aber im Schwur steht, sieht nur das Licht.

Ich, Lyrenor, habe diese Verse geschrieben, damit man sich erinnere: Die Flamme von Veyrmor ist kein Werkzeug der Macht, sondern ein Spiegel des Herzens. Manche nennen sie ein Relikt der Gier, ich aber sage: Sie ist ein Wächter, härter als jede Klinge. Denn keine Lüge kann vor ihr bestehen.

Aus den Notizen Lyrenor’s