Ein Traum aus den Hallen der Mutigen

Es war eine Nacht ohne Mond, als ich mich in den Bergen von Drosvand zur Ruhe legte. Ich hatte den ganzen Tag über Runenschmiede besucht, ihre schweren Hämmer hallten noch in meinen Ohren. Müde ließ ich mich am Feuer nieder, und der Schlaf kam rasch, doch nicht sanft.

Kaum waren meine Augen geschlossen, fand ich mich in einer Halle wieder, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte. Ihre Mauern aus weißem Stein ragten empor wie Klippen, und zwischen den Bögen hingen Banner, die nicht flatterten, sondern schwebten, als ob unsichtbare Hände sie hielten. Die Luft war klar, doch von Gesang erfüllt – nicht laut, sondern wie ein fernes Raunen, das durch die Seelen der Anwesenden zog.

Ich ging durch die Reihen und sah Gestalten, deren Gesichter ich kannte – Helden, die längst gefallen waren. Erid Falkenfaust stand dort, sein Blick unbeugsam wie in den Chroniken beschrieben. Neben ihm Idraen, die Mutter des Schwurs, ihr Banner in der Hand, doch ohne Gewicht. Sie nickte mir zu, als sei ich ein Bruder unter Schwur.

Dann vernahm ich Stimmen, die sich vereinten – kein Chor aus Menschenkehlen, sondern ein Echo aus einer anderen Welt. „Bewahrt den Schwur“, sangen sie, „denn ohne ihn verliert das Lied seinen Klang.“ Ich spürte, wie die Worte in meinen Körper brannten, nicht als Schmerz, sondern als Zeichen, das nicht vergeht.

Plötzlich wurde es still. Ein kleiner Lichtfalter flatterte herab, landete auf meiner Schulter und verging in einem Funken, der mein Herz durchdrang. In diesem Moment erwachte ich – zurück am kalten Feuer in Drosvand, der Morgen stand grau und frostig über den Bergen. Doch der Funke in mir glühte weiter.

Seit dieser Nacht weiß ich: Die Hallen der Mutigen sind kein Mythos. Sie sind ein Ort, der uns berührt, wenn wir im Schwur wanken. Ihre Stimmen erreichen uns nicht durch Mauern, sondern durch Träume. Und wer ihr Lied einmal hörte, wird es nie mehr vergessen.

Aus den Notizen Lyrenor’s